Gerne würde Inhaber Tobias Mayerhofer mit der Belegschaft und Ehrengästen auf den besonderen Geburtstag anstoßen. Doch eine größere Feier ist coronabedingt nicht möglich. Dennoch ist das Jubiläum ein willkommener Anlass, die bewegte Firmengeschichte Revue passieren zu lassen und zugleich eine große Motivation, weiterhin tatkräftig an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu bauen. Der Grundstein für die heutige Fabrikation wurde im Jahre 1921 von Franz Ortinger senior mit der Gründung einer so genannten Holzdrahtzieherei im Dorfkern von Hinterschmiding gelegt. "Große Hobel wurden mit der Hand über das Holz gezogen, um Rundstäbe zu produzieren. Vorrangig wurden Stäbe für Papierfähnchen und Zuckerwatte hergestellt", erklärt Tobias Mayerhofer. Knapp 40 Jahre später erfolgte ein Wandel im Unternehmen. Das traditionelle Handwerk wurde unter Leitung von Franz Ortinger, dem Sohn des Firmengründers, an den technischen Fortschritt angepasst, erste professionelle Maschinen kamen zum Einsatz. Auch in den folgenden Jahrzehnten sollte kein Stillstand erfolgen. Weil die Kapazitäten am ursprünglichen Standort ausgereizt waren, zog das Familienunternehmen 1993 ins Gewerbegebiet von Hinterschmiding um. Hier wurde der Betrieb stetig weiterentwickelt – und sogar neu aufgebaut. Denn ein verheerender Großbrand, ausgelöst durch einen technischen Defekt, zerstörte 2007 das Gebäude. "Das war natürlich ein wahnsinniger Einschnitt und sehr emotional", erinnert sich Mayerhofer. Doch seine Eltern Rosmarie und Ludwig Mayerhofer, die zu dieser Zeit die Firma leiteten, ließen sich von diesem Schicksalsschlag nicht unterkriegen. "Die wirtschaftliche Situation war damals wie heute stabil. Es hat sich nie die Frage gestellt, das Unternehmen nicht mehr aufzubauen. Und die Waidler sind ja bekannt als Stehaufmännchen", betont Mayerhofer. Der Neubau sei zwar ein Kraftakt gewesen, doch zugleich konnten mit besserer maschineller Ausrüstung und einer Vergrößerung der Fläche die Weichen für die Zukunft gelegt werden. 2008 wurde der Neubau fertig gestellt. Im selben Jahr trat Tobias Mayerhofer als Mitinhaber in die Firma ein. Seit 2015 führt er das Unternehmen in vierter Generation.
Holzrundstäbe als Multitalente
Pro Jahr werden rund 4.000 Kubikmeter Schnittholz verarbeitet. Spezialisiert ist die Ortinger Holzwarenfabrikation auf Holzrundstäbe, die in Serienfertigung für Industrie, Handel und Großhandel sowie Handwerksbetriebe produziert werden. "Wir sind sehr breit aufgestellt. Das macht diese Arbeit so interessant. Denn wir müssen immer innovativ denken, mit der Zeit gehen und flexibel sein", sagt Tobias Mayerhofer. Die Holzprodukte aus Hinterschmiding kommen im Innenausbau, im Messebau und bei der Fassadengestaltung ebenso zum Einsatz wie in der Spielzeugindustrie bei Klettergerüsten oder der Lebensmittelindustrie in Form von Schaschlikspießen. Zudem werden die Rundstäbe als Fahnenzubehör oder beim Basteln genutzt. "Aktuell machen wir sehr viel für den Lüftungsbau. Unsere Stäbe werden eingesetzt, um die Filtermatten zu halten – das ist vor dem Corona-Hintergrund und der Diskussion um Aerosole derzeit sehr gefragt", führt Mayerhofer aus. Neben Serienanfertigungen werden nach Möglichkeit auch individuelle Sonderwünsche erfüllt. Beispielsweise produziert die Ortinger Holzwarenfabrikation auch besondere Rundstäbe, die in hochwertigen Designmöbeln zum Hingucker werden. Den Löwenanteil des Umsatzes erzielt das Unternehmen dabei nicht in der Region. Die Kunden stammen aus ganz Deutschland, Europa und sogar aus Israel oder Dubai. Die breite Ausrichtung und die Vielfalt der angebotenen Produkte sind aus Mayerhofers Sicht zentrale Vorteile – und vielleicht sogar das Erfolgsgeheimnis. "Wenn etwas wegbricht, dann haben wir immer noch Alternativen. Wir können schnell reagieren. Und wenn Kundenwünsche weitgehend zu unserem Standardprogramm passen, dann können wir sie auch umsetzen."
Bewusster Umgang mit der Natur
Zentralen Stellenwert nimmt im Unternehmen die Nachhaltigkeit ein. "Wir verarbeiten Holz – ein lebendiges Produkt, das für die Umwelt gut ist. Hier sind wir uns unserer Verantwortung sehr bewusst. Seit 1993 versuchen wir, Abfall zu minimieren und zu verwerten. Schnell war die Idee geboren, die Verwertung mit Hilfe einer Brikettpresse zu machen. So werden Reste verpresst und schließlich in der Region als hochwertiges Brennmaterial verkauft." Zudem trägt das Unternehmen das FSC®-Siegel. Dabei handelt es sich um ein internationales Zertifizierungssystem für nachhaltige Waldwirtschaft. Ein wichtiger Schritt in Sachen bewusster Umgang mit der Natur: Seit kurzem wird bei der Ortinger Holzwarenfabrikation Ökostrom genutzt. Für weitere Innovationen ist Firmenchef Mayerhofer offen. Zudem ist er zuversichtlich, dass die 100-jährige Firmengeschichte noch lange fortgeschrieben werden kann. Einzig der Fachkräftemangel macht ihm Sorgen. "Aktuell sind wir mit unseren rund 40 Voll- und Teilzeitkräften gut aufgestellt, die Fluktuation ist auch sehr gering. Doch es wird künftig eine große Herausforderung werden, qualifizierten Nachwuchs zu finden, wenn Mitarbeiter beispielsweise in Rente gehen", sagt Mayerhofer. Grundsätzlich würde er sich wünschen, dass das Unternehmen auch künftig familiär weitergeführt werden kann. Die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern: Tobias Mayerhofer und seine Frau Tanja, die ebenfalls im Betrieb arbeitet, haben drei Kinder. Wenn diese eines Tages ins Unternehmen einsteigen möchten, können sie sich der vollen Unterstützung ihrer Eltern sicher sein.
Erschienen im IHK-Magazin 06/2021